Bethan Laura Wood - „Ich liebe die psychedelischen Sixties“
Foto/Grafik: Bethan Laura Wood
Bethan Laura Wood
Foto/Grafik: Bethan Laura Wood
Mit ihrem Projekt „Boudoir 2.0“, gezeigt in der Galerie Nilufar in Mailand, feiert die Designerin die Weiblichkeit.
Farb-Disco fürs Bad, ein modernes Boudoir für die Nilufar Gallery in Mailand oder ein ungewöhnlich grafisches Teeservice für Rosenthal, inspiriert von den Stoffmustern Colline Campbells – Bethan Laura Wood gilt als Paradiesvogel der internationalen Designszene. Mit ihren oft schrillen, farbintensiven und unkonventionellen Ideen mischt sie die Branche auf. Ihre neueste Kooperation mit Kaldewei hat nicht nur auf der London Design Week für Aufsehen gesorgt. Im arcade-Interview erklärt sie ihren Stil und verrät, wer sie inspiriert und was sie jungen Gestaltern rät.
Frau Wood – Farbe spielt eine elementare Rolle in Ihren Designs. Dabei klammern Sie diese beim Entwerfen erst mal aus.
Das stimmt. Meine Dozenten am Royal College of Art, Jürgen Bey und Martino Gamper, haben mich immer wieder dazu ermutigt, mit meinem persönlichen Faible für Farben zu arbeiten. Meistens beginne ich aber ganz ohne: Meine Muster und Designs entstehen tatsächlich zunächst in Schwarzweiß.
Dabei bleibt es aber natürlich nicht. Spielen Farbtrends für Sie eine Rolle?
Viele Designer haben damit ein Problem. Doch blickt man zurück, sieht man, welche Bedeutung Farbe im Lauf der Geschichte hatte und wie eng sie mit dem jeweiligen Zeitgeist verbunden ist. Farben sind Eckpfeiler einer bestimmten Ästhetik oder Ära und Teil ihrer Identität. Mich fasziniert das.
Ziehen Sie daraus Ihre Inspiration?
Schon, aber ich finde das Thema auch sehr persönlich – nicht nur für mich. Beim Besuch einer Ausstellung der niederländischen Designerin Hella Jongerius ist mir einmal die starke Aufmerksamkeit des Publikums für Farben aufgefallen. Jeder schien ganz eigene Assoziationen zu den einzelnen Tönen zu haben. Genau das liebe ich daran.
Für Rosenthal haben Sie eine ebenfalls sehr farbintensive und geometrisch- experimentelle Geschirr-Serie entworfen – inspiriert vom Bauhaus.
Ich wurde eingeladen, an der Feier zum 100- jährigen Bauhaus-Jubiläum teilzunehmen. Rosenthal bat mich, ein ausdrucksstarkes Jubiläumsmuster für das klassische „TAC“- Teeservice von Walter Gropius zu entwerfen sowie ein Service in meiner eigenen Designsprache zu realisieren, was ich mit „Tongue“ realisiert habe.
Die Auseinandersetzung mit dem Bauhaus-Stil war also trotz aller funktionaler Nüchternheit ein Gewinn?
Ich habe es genossen, die Ausgewogenheit von Proportionen und Formen zu betrachten, die sich durch die Bauhaus Werke zieht. Schon in jungen Jahren fühlte ich mich zu den handgemalten Stoffmustern von Collier Campbell hingezogen, die auf den Webarbeiten des Bauhaus-Mitglieds Gunta Stölzl basieren. Ich war fasziniert von der Dynamik darin – und natürlich von den Farben.
2021 haben Sie das Projekt „Boudoir 2.0“ in der Mailänder Galerie Nilufar gezeigt. Was bedeutet die Stadt für Sie?
Ich bin Mailand sehr verbunden seit vor über zehn Jahren die Zusammenarbeit mit der Nilufar Gallery begann. Die erwähnte Ausstellung war sozusagen eine Feier dieser gemeinsamen Beziehung.
„Boudoir 2.0“ fokussiert sich auf moderne Weiblichkeit. Was bedeutet Ihnen dieses Thema?
Als ich mich mit den Arbeiten beschäftigte, die über den Zeitraum unserer Zusammenarbeit entstanden sind, und im Gespräch mit Nina Yasha überlegte, wie man sie zusammenstellen könnte, entstand die Idee, eine Art modernes Boudoir zu schaffen. Beeinflusst vom britischen Ästhetizismus, wollte ich auf das Virgina-Woolf-Zitat über die Wichtigkeit, „ein eigenes Zimmer“ zu haben, Bezug zu nehmen. Es erschien mir auch deshalb passend, weil ich die Tatsache feiern wollte, dass wir zwei Frauen sind, die in einer Branche arbeiten, in der die Darstellung von Frauenwerken immer noch kaum eine Rolle spielt. Zudem wollte ich etwas schaffen, was Bezug auf Schmuck und körperliche Verzierungen nimmt, da solche Objekte und Praktiken traditionell die einzigen Möglichkeiten waren, bei denen Frauen eine gewisse Autonomie hatten, um ihre Identität, ihren Status und ihre Unabhängigkeit auszudrücken, speziell in der Vergangenheit. Der Besitz von Eigentum war eingeschränkt, mit Ausnahme dessen, was Frauen trugen und am eigenen Körper zur Schau stellen durften. Was Frauen tragen, hatte eine entscheidende Bedeutung. Für die Ausstellung habe ich diese Designs neu interpretiert und in Objekte verwandelt, die architektonische Räume bewohnen.
Sie sind auch ein großer Fan von Ettore Sottsass. Seine Entwürfe für Kaldewei haben auch Ihre jüngste Zusammenarbeit mit dem Bad-Spezialisten inspiriert (arcade 6/23). Wie genau zeigt sich das in Ihren Entwürfen?
Ich mag die extremen Kurven der inneren Umrisse seiner Badewanne und deren grafischen Look, also wollte ich ein Muster entwerfen, das mit den Kurven harmoniert.
Was hat Sie dann zu der „fruchtigen“ Farb- palette inspiriert?
Ich wollte mit einer Farbpalette arbeiten, die weder zu feminin noch zu maskulin ist. Und mir gefiel die Idee, den klassischen Avocado-Badeanzug aufzugreifen und ihm eine neue Wendung zu geben. Ich habe drei Variationen entwickelt: eine, die sich mehr an Avocado-Tönen orientiert, eine zweite, die mehr Blau- und Violett aufgreift, um einen Bezug zu Wasserstrudeln herzustellen. Und drittens, weil ich ein ziemlich farbenfroher Mensch bin, eine Art Farb-Disco für einen „abenteuerlustigen“ Badbesucher.
Die Farben sind aber nicht der einzige Aspekt. Was war Ihre Intention?
Für das Projekt mit Kaldewei wollte ich ein Muster entwerfen, das mit dem Geist des Bads, der Idee eines luxuriösen Raums, in dem man sich Zeit nimmt, in Verbindung steht. Ich liebe diese Art von Luxus und das Gefühl, umhüllt zu sein. Ich habe mir auch diese eleganten Morgenmäntel angesehen, die man sich nach einem Schaumbad überwirft. Das habe ich als eine der Referenzen für diese wirbelnden Muster genommen.
Wie würden Sie Ihre Designphilosophie in wenigen Worten beschreiben?
Freude. Und Distanz erzeugen durch Detailreichtum.
Welche Stilrichtungen haben Sie besonders beeinflusst?
Ich bin stark von der Postmoderne und Memphis beeinflusst. Ich liebe auch das Optimum und den Pop der Space-Aged-Bewegung mit den explodierenden Farben.
In welcher Zeit hätten Sie gerne gelebt?
Ich liebe es, mir das Leben in einer anderen Epoche vorzustellen, was man meinen Arbeiten ja auch ansieht. Ich mag die optimistischen und psychedelischen 60er Jahre, die viele neue Materialien hervorgebracht haben. Diese Dekadenz nach dem Krieg, aber auch zwischen den beiden Kriegen, also die 20er- und 30er-Jahre.
Welche Designer:innen bewundern Sie besonders?
Neben Etore Sottsass auch Nathalie du Pasquier, Martino Gamper und Charlotte Perriand.
Was raten Sie jungen Designer:innen?
Einfach loslegen, ausprobieren, Modelle bauen und damit spielen.