15.07.2025
Arthur Arbesser - Gutes Design hat eine magische Strahlkraft

Er gilt seit Jahren als Österreichs gefragtester Designexport. Die Stationen seiner Laufbahn sind ebenso schillernd wie imposant. Nach dem Abschluss an Londons renommiertem Central Saint Martins College in den Nullerjahren zog es Arthur Arbesser nach Mailand. Er schaffte den Einstieg bei Armani, wo er sieben Jahre blieb, bis er 2013 die erste Kollektion seines eigenen Labels in der italienischen Modemetropole präsentierte. Er entwirft Kostüme für André Hellers „Rosenkavalier“ ebenso wie Möbel und Textilien. Seit Herbst 2023 ist er Creative Council bei Wittmann. Im arcade-Interview spricht er über die Faszination der österreichischen Traditions-Marke, Wien als Inspirationsquelle und die gestalterische Freiheit, die ihm sein eigenes Label bietet.

Jugendstil und Wiener Werkstätten – Arthur, wie blickst Du heute auf die Stadt Wien und die bedeutende Kulturgeschichte deiner Geburtsstadt? 
Arthur Arbesser: Wien um 1900 war wirklich ein unglaublich spannender Melting Pot, wo Wissenschaft, Kunst und Musik bahnbrechende Dinge hervorgebracht haben. Diese Energie damals muss sehr speziell gewesen sein und fasziniert mich schon immer. Und ich glaube, besonders weil ich schon so lange nicht mehr in Wien lebe, beschäftige ich mich intensiver mit meiner Geburtsstadt – manchmal macht die Ferne mit dem Geist etwas. Auf jeden Fall ist es diese zeitlose Qualität des damaligen Designs und der Architektur in Wien, die mich immer inspirieren wird.

Wie hat sich der Blick nach zwei Jahrzehnten auf die Stadt verändert?
Man wird ganz klar kritischer, was den aktu­ellen Stand der Dinge betrifft. Aber ich empfinde trotzdem, dass in Wien Kultur und auch die Vergangenheit extrem ernst genommen werden und immer noch sehr viele interessante Dinge passieren.


Das erkennt man immer wieder auch an deinem Stil, der geprägt ist von experimentellen und streng geometrischen Elementen. Der Hang zu Linearität und formaler Strenge, aber auch zur Ornamentik ist ebenfalls typisch für die Wiener Gestaltungskultur. Wie würdest Du Deine Design-Philosophie zusammenfassen?
Bleib immer du selbst! Ich liebe Farben, in all ihren Möglichkeiten, und ich fahre besonders auf alles Grafische und Präzise ab, weil ich in Wirklichkeit ein Chaot bin.


Wie war der Einstieg für Dich in die Modeindustrie? Wie hast Du damals auf diese Mailänder Luxuswelt geblickt und wie blickst Du heute darauf?   
Nach vier fantastischen Jahren in London hatte ich auf einmal Lust auf „Made in Italy“ und seriöse Mode. Da hatte ich Glück und konnte gleich nach dem Abschluss im Team von Giorgio Armani beginnen, wo ich auch sieben Jahre blieb. Eine ganz tolle Schule und besonders schön für eine Brand zu arbeiten, deren Name derselbe ist wie der des Chefs. 2005 war Mailand aber ehrlich gesagt sehr anders als ­heute. Weniger international und irgendwie mehr ‚down to earth‘. Ich finde, die Expo 2015 hat nicht nur Gutes gebracht. Das intensive, schnelle Wiederaufstehen nach Corona hat der Stadt leider auch nicht so gut getan. Jetzt ist es, meiner Meinung nach, sehr wichtig, dass das Italienische nicht durch die allgemeine Internationalisierung verloren geht.



2012/13 folgte dann die Gründung deines eigenen Labels „Arthur Arbesser“. Warum hast Du Dich dafür entschieden und was bedeutet das Label für deine Arbeit?
Mein Label ist so etwas wie mein Schaufenster. Da darf ich mich kreativ austoben, da muss ich niemandem Rede und Antwort stehen und ich kann einfach alle sechs ­Monate ein neues Kapitel dazuschreiben. Das ist mein größter Luxus und größte Freude. Nach sieben Jahren im ‚Corporate-Leben‘ musste ich mich unbedingt von allem lösen und befreien und endlich nur machen und entwerfen, wie es mir mein Instinkt und Bauchgefühl sagt. Dank meines Labels kamen viele Menschen auf mich zu und es sind spannende Kollaborationen entstanden.



Seit einigen Jahren entwirfst Du auch  für den Interior-Bereich, für Hem und den österreichischen ­Möbelhersteller ­Wittmann. Wie kam es zu diesen Kooperationen?
Mich hat Interior Design immer genauso interessiert wie Mode – momentan sogar mehr, da die Modelandschaft zusehends abflacht. Auf meine grafischen Muster und Farbkombinationen ist Hem schon vor langer Zeit aufmerksam geworden und seitdem gibt es diese schöne, kreative Freundschaft. Zu Wittmann holte mich deren ehemaliger Art Director Luca Nichetto, um exklusive Teppiche und Stoffe zu designen – und dann wurde im Endeffekt mehr daraus.


Seit letztem Jahr bist du auch Creative Council bei Wittmann. Was fasziniert Dich besonders an der Marke? Bei so viel Tradition und Geschichte fällt es sicher schwer, frische Impulse einzubringen und eigene Akzente zu setzen, oder?  
Ich sehe meine Aufgabe ähnlich wie die eines Kurators, der den eingeschlagenen Weg der Internationalisierung Wittmanns weiter begleitet, dabei aber nie die österreichische Herkunft und Tradition aus dem Blick verliert. Es ist diese Wittmann-Mischung aus Hoffmann-Klassikern, deren Appeal für die Ewigkeit ist, modernem, innovativen Design sowie der Klasse und Qualität die mich begeistern. Wir wollen auch vermehrt in das Firmenarchiv schauen, um spannende Designs – wie zum Beispiel das „Atrium“-Sofa aus den 70er Jahren – wieder neu aufzulegen und in den aktuellen Produktkatalog zu nehmen. Sicherlich ist es auch mein starker Wien-Bezug, der in meiner kreativen Arbeit immer da ist, weshalb mein Herz so für Wittmann und die Geschichte dieses Hauses schlägt.

Was ist für dich der Unterschied zwischen Mode- und Möbeldesign?
Es geht in beiden Welten immer um Proportion, Qualität und Handwerk. Und richtig gutes Design hat die magische Strahlkraft, die jeden anspricht. Aber die Mode muss natürlich in Bewegung und für ganz unterschiedliche Menschen funktionieren – Möbel hingegen müssen sich in vielen verschiedenen Umgebungen behaupten.


Welche Projekt-Highlights stehen für Dich in diesem Jahr auf der Agenda?  
Ich freue mich sehr auf den Salone del Mobile 2024, die große Mailänder Möbelmesse im April. Da gibt es gleich mehrere Dinge, an denen wir gearbeitet haben, die nun präsentiert werden. Kostüme für eine Rossini Oper in Modena und andere neue Kostümprojekte sind im Werden, aber erst für 2025. Und den Bezug unseres neuen Studios in Mailand – das wird eine Art Gallery/Showroom Space und Büro in einem.


Und abschließend: Dein Rat für den Designer-Nachwuchs?
Man muss sich bewusst sein, dass man keinen gemütlichen Beruf wählt. Aber wenn man es liebt, ist es der schönste Job der Welt. Und dann ist die oberste Regel: Höre immer auf dein Bauchgefühl und nur nicht vom Weg abkommen. Denn wenn du zu sehr versuchst, den anderen zu gefallen, liegst du schon falsch.  
Das Interview führte Rüdiger Oberschür

Foto von Arthur Arbesser: Stefano Galuzzi
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